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Smart Building: Die Zertifizierungen, die zählen

25.03.2025

Der zunehmende ESG-Regulierungsdruck und die digitale Transformation haben die Rolle der Immobilienzertifizierungen neu definiert: Von freiwilligen Werkzeugen sind sie zu strategischen Assets für die technische und finanzielle Aufwertung von Immobilien geworden. Ein Gebäude gilt nur dann als „smart“, wenn es Nachhaltigkeit, Konnektivität und fortschrittliche Funktionalität messbar integriert. Für Investoren, Planer und Immobilienbetreiber ist die Beherrschung des Zertifizierungsökosystems heute eine grundlegende Kompetenz, um Compliance, Marktfähigkeit und Resilienz der Assets im mittel- bis langfristigen Zeitraum sicherzustellen.

Der europäische Kontext der Smart-Building-Zertifizierungen präsentiert sich als fragmentiert und komplex, gekennzeichnet durch die Überlagerung bestehender Umweltstandards mit neuen digitalen Rahmenwerken. Während Initiativen wie der Green Deal und die EPBD-Richtlinie ( Energy Performance of Buildings Directive) den Markt in Richtung digitale Nachhaltigkeit lenken wollen, stößt die praktische Umsetzung auf ein überbürokratisiertes Regelwerk.

Zu den wichtigsten europäischen (und internationalen) Referenzen gehören:

  • SmartScore
    Die Zertifizierung mit dem stärksten Fokus auf die digitale Intelligenz von Gebäuden. Bewertet Benutzererfahrung, Automatisierung, digitale Zwillinge und Interoperabilität.

  • WiredScore
    Bewertet die digitale Konnektivität und IT-Infrastruktur eines Gebäudes. Häufig der erste Schritt vor der Anvisierung des SmartScore.

  • IEC 62443
    Referenzstandard für Cybersicherheit in Gebäudeautomationssystemen. Mit wachsender Konnektivität wird dieser Standard zu einem unverzichtbaren Bestandteil bei der Bewertung eines echten Smart Buildings.

  • BREEAM / LEED / DGNB
    Etablierte Standards für Umweltverträglichkeit und Komfort, zunehmend mit technologischen und smarten Managementparametern.

    • BREEAM: weit verbreitet in den Niederlanden, im Vereinigten Königreich und in Belgien.

    • LEED: stärker international ausgerichtet.

    • DGNB: ideal für den deutschsprachigen Raum, insbesondere die Schweiz und Deutschland.

  • Smart Readiness Indicator (SRI)
    Neues EU-Rahmenwerk zur Bewertung, wie „bereit“ ein Gebäude ist, um Energieeffizienz zu optimieren und auf Nutzerbedürfnisse zu reagieren. Befindet sich in der Implementierungsphase und könnte in den kommenden Jahren verpflichtend werden.

  • EU-Taxonomie
    Keine Zertifizierungen, sondern Instrumente zur Ausrichtung von Immobilienprojekten an den europäischen ESG-Zielen und nachhaltigen Investitionen.

  • ISO/IEC 63044
    Internationaler Standard für elektronische Systeme in Wohn- und Geschäftsgebäuden. Definiert Interoperabilitätsanforderungen – entscheidend für die Integration heterogener Systeme.

Die Schweiz hat, ihrer Tradition technologischer Exzellenz und Pragmatismus folgend, einen Ansatz zu Smart-Building-Zertifizierungen entwickelt, der technische Strenge mit praktischer Anwendbarkeit verbindet. Der schweizerische Kontext zeichnet sich durch die Integration internationaler Standards mit spezifischen nationalen Normen aus, angepasst an die baulichen und klimatischen Besonderheiten des Landes. Diese Synergie zwischen lokalen Anforderungen und globalen Rahmenwerken erlaubt es schweizerischen Gebäuden, gleichzeitig den hohen qualitativen Ansprüchen des heimischen Markts sowie den internationalen Standards institutioneller Investoren gerecht zu werden. Die im Schweizer Markt am häufigsten angewendeten Zertifizierungen spiegeln diesen doppelten Anspruch wider, indem sie energetische Parameter mit Metriken zur Digitalisierung und Automatisierung kombinieren. Zu den wichtigsten zählen:

  • SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz)
    Der Schweizer Standard für nachhaltiges Bauen. Berücksichtigt Umwelt, Wirtschaft und soziale Aspekte. Kompatibel mit integrierten Smart-Ansätzen.

  • Minergie / Minergie-P / Minergie-ECO
    Referenz für Energieeffizienz und Komfort. Bewertet nicht direkt die „Intelligenz“ eines Gebäudes, ist jedoch oft die Grundlage für smarte Erweiterungen.

  • SIA 2060/2061
    Schweizer technische Normen speziell für intelligente Gebäude und digitale Infrastrukturen. Unverzichtbar für Planer und Systemintegratoren im nationalen Kontext.

 

Der konkrete Mehrwert von Zertifizierungen

Zertifizierungen machen in der Regel nur 5–10 % der gesamten Digitalisierungsinvestition aus. Die eigentliche wirtschaftliche Rendite stammt aus der Implementierung der Technologien, nicht aus dem Zertifikat selbst.
Es ist entscheidend, zwischen den Vorteilen der Smart-Technologien und dem Mehrwert der Zertifizierung an sich zu unterscheiden.

Messbare Vorteile von Zertifizierungen

  1. Marktwert:

    • Verkaufspreis-Premium: +3–6 % (Schweizer Markt)

    • Höhere Attraktivität für A-Klasse-Mieter: kürzere Leerstandszeiten

    • Bevorzugter Zugang zu ESG- und Green-Finanzierungen

  2. Compliance und Risikominimierung:

    • Reduktion des Risikos von „stranded assets“

    • Frühe Positionierung im Hinblick auf regulatorische Entwicklungen

  3. Kommunikation:

    • Objektiver Nachweis der Gebäudequalitäten

    • Wettbewerbsvorteil auf dem Markt

    • Validierung gegenüber Stakeholdern und Investoren

Pragmatischer Zertifizierungsansatz
Um den Investitionswert in Zertifizierungen zu maximieren:

  1. Zuerst umsetzen, dann zertifizieren:
    Digitalisierung sollte von Geschäfts- und Nutzerzielen geleitet sein, nicht von Zertifizierungsanforderungen.

  2. Strategische Auswahl der Zertifizierungen:
    Abgestimmt auf den Zielmarkt des Gebäudes (Schweizer/internationaler Investor, Mietertypologie)

  3. Optimiertes Timing:
    Zertifizierungen mit strategischen Zeitpunkten abstimmen (z. B. Refinanzierung, Repositionierung, Eigentümerwechsel)